Zeitenwende für die Pflege!
Wir fordern eine gesetzliche Regulierung der Zeitarbeit.
Steigender Bedarf an Pflegeplätzen trifft auf sinkende Zahl von Pflegekräften.
Gemäß einer Berechnung des Statistischen Bundesamts Ende März wird die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland aufgrund der fortschreitenden Alterung bis 2055 voraussichtlich um 37 Prozent ansteigen. Dies bedeutet, dass es im Jahr 2035 möglicherweise bereits 5,6 Millionen Pflegebedürftige geben wird, was einem Anstieg von 14 Prozent im Vergleich zum Ende des Jahres 2021 entspricht. Gleichzeitig gibt es jedoch einen Rückgang in der Anzahl der Menschen, die sich für eine Ausbildung im Pflegebereich entscheiden.
Nicht erst seit der Krise in der Corona-Pandemie und der dramatischen gesellschaftlichen Entwicklung steht die Pflege allgemein und insbesondere die Langzeitpflege mit dem Rücken zur Wand: unzureichende Finanzierungsbedingungen, anspruchsvolle Arbeitsbedingungen, fehlende Nachwuchskräfte, die Berentung der geburtenstarken Jahrgänge, starker Anstieg der Anzahl pflegebedürftiger Personen und daraus resultierend ein großer Mangel dringend benötigter Pflegekräfte mit stark steigender Tendenz.
Die Diskrepanz zwischen steigender Bedarfslage an Pflegeplätzen, bei gleichzeitigem Rückgang an Pflegekräften wird das Pflegesystem mittelfristig zum Kollabieren bringen. Die Versorgungssicherheit in der Langzeitpflege ist bereits heute eingeschränkt. Herr Kopp, Sprecher der ARGE Freie München betont, dass Pflegeeinrichtungen- und dienste aufgrund von Personalmangel teilweise schon dazu gezwungen sind Leistungen zu reduzieren oder sogar ganz einzustellen.
Es ist absehbar, dass die aktuelle vom Bundestag beschlossene Pflegereform nicht den notwendigen Verbesserungsschub für die Pflege bringt.
Forderungen zur Stabilisierung der Qualität und Versorgungssicherheit in der Langzeitpflege
Wir erneuern bzw. aktualisieren daher unsere Forderungen aus der aktuellen Pflegekampagne der ARGE Freie zur dringend notwendigen Stabilisierung des Pflegesystems in der Langzeitpflege.
Einen Punkt wollen wir dabei besonders hervorheben:
Bewohnerzentrierte Pflege
Die Gesellschaft muss sich eine aktivierende Pflege leisten, in der Pflegebedürftige Subjekt und nicht Objekt der Pflege sind. In der der Tagesablauf nach dem Biorhythmus der Bewohner*innen gestaltet und eine Biographiearbeit als Basis der Lebensraumgestaltung realisiert ist.
Eine Biographiearbeit als Basis der Lebensraumgestaltung bedeutet, dass die Pflegekräfte die Biographien der Bewohner*innen kennen und darauf aufbauend die Wohn- und Lebenssituation individuell gestalten können. Pflege ist nicht auf eine rein medizinische Versorgung reduziert, sondern orientiert sich an den Bedürfnissen und Wünschen der Pflegebedürftigen. Pflegebedürftige werden als aktive und eigenständige Menschen erkannt, die in ihrer Persönlichkeit und ihren Fähigkeiten wahrgenommen und unterstützt werden. Pflege, die auf den Bedürfnissen der Pflegebedürftigen aufbaut, kann sich positiv auf das Arbeitsklima und die Arbeitszufriedenheit der Pflegekräfte auswirken. Insgesamt kann eine solche Pflege dazu beitragen, den Pflegealltag für alle Beteiligten zu erleichtern und die Versorgungssicherheit im Pflegesystem zu verbessern.
Zur Sicherstellung einer bedarfsgerechten und individuellen Pflege fordern wir den Trend zu mehr Leiharbeitstätigkeit gesetzlich zu regulieren. Wir betrachten das Einhalten der Standards einer bewohnerzentrierten Pflege als entscheidend für eine langfristige Entlastung von Pflegebedürftigen, Pflegekräften und Angehörigen. Der Einsatz von Zeitarbeitskräften kann jedoch dazu führen, dass diese Standards untergraben werden.
Zeitarbeit in der Pflege als Gefährdung für die Qualität und Versorgungssicherheit
Die steigende Beschäftigungsform von Leih- und Zeitarbeit schadet der Pflegequalität und führt in ein Zwei-Klassen-Recht der Pflegebeschäftigung ZA-Mitarbeiter*innen werden kurzfristig eingesetzt ohne nähere Kenntnis der zu Pflegenden und der Abläufe vor Ort. Dies gefährdet die Pflegequalität und die Versorgungssicherheit der Bewohner.
Zeitarbeitsfirmen können mittlerweile Pflegekräften attraktivere Arbeitsbedingungen bieten, weil sie nicht die Verantwortung der Versorgungssicherheit tragen und ihnen nur attraktive Schichten von Montag bis Freitag angeboten werden. Beim Einsatz übernehmen ZA-Mitarbeiter*innen nur Regelaufgaben, ohne volle Verantwortung in der Pflege zu haben.
Da die Träger durch den Mangel an Mitarbeiter*innen keine Alternative haben, zahlen sie derzeit sehr hohe Preise für Zeitarbeit. ZA-Firmen verlangen hohe Gebühren und können dadurch ihre Mitarbeiter*innen übertariflich entlohnen. Dies demoralisiert Stammbeschäftigte der Pflege, die von ZA-Mitarbeiter*innen erfahren, dass diese bei weit weniger Verantwortungsübernahme und ohne Schichttätigkeit vergleichsweise viel verdienen.
Aufgrund fehlender Softwarekenntnisse und keiner oder lückenhafter Kenntnisse in der individuellen Pflegeplanung bei den ZA- Mitarbeiter*innen werden die Aufgaben oft auf das Stammpersonal übertragen. Der Einsatz von Mitarbeiter*innen aus ZA sichert den vorgeschriebenen Personalschlüssel, entlastet das Stammpersonal aber nur bedingt. Angehörige, externe medizinische und therapeutische Fachkräfte wenden sich grundsätzlich an das Stammpersonal.
Letztendlich kann es dazu führen, dass Träger, aufgrund von fehlendem Pflegepersonal, Pflegeplätze nicht belegen können. Dies wirkt sich nachhaltig auf Pflegebedürftige und deren Angehörige aus.
Die Hürden zum Einsatz von Personal aus ZA in KITAS sind zur Sicherung des Kindeswohls wesentlich höher gelegt. Wir fordern das Wohl der Senior*innen mehr in den Fokus zu rücken und den Einsatz von ZA Mitarbeiter*innen in der Pflege stärker zu reglementieren. In keinem Fall dürfen diese Kräfte eine bessere Vergütung für weniger Verantwortung erhalten. Sollten Trägern von Pflegeeinrichtungen nur der Boykott dieser Personalressourcen aus ZA bleiben, hätte dies einen massiven Verlust von Pflegeplätzen zur Folge, die andererseits dringend gebraucht werden.
Eine stärkere Regulierung bis hin zu dem Verbot von ZA-Einsatz in der Pflege ist durch den Gesetzgeber auf den Weg zu bringen.
Unter dem Hashtag #pflegemitzukunft fährt die ARGE Freie München eine insgesamt einjährige Kampagne, in deren Mittelpunkt die Verbesserung der Pflegesituation und die Sicherstellung menschenwürdiger Pflege stehen. Die Sozialverbände sehen sich in der Pflicht, auf Erleichterungen und Reformen in der Pflege hinzuwirken. Im Laufe der zwölf Monate greifen die sechs Münchner Verbände daher immer wieder eine von elf Forderungen aus ihrem Katalog heraus und erläutern Bedarfe und Lösungswege, darunter die Themen „Ausbildung“ und „Personalressourcen“. Ziel ist es, das Augenmerk auf alle Beteiligten an der Pflege zu richten und die Weichen für eine bessere Zukunft zu stellen.
Kontakt
Arge Freie München
Federführung: Paritätischer Wohlfahrtsverband Bezirk Oberbayern
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